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Archaeologie des 20. Jahrhunderts

Ausgrabung und Dokumentation der Gloster Meteor E411,
Suelfeld, Kreis Bad Segeberg
Vermessung der Fundstelle  
Ausgrabung
 


Das vermutete Fundareal wurde zunächst vermessen. Eine kleine Eintiefung (vor den Baggern, vereist) erwies sich als Rest des Einschlagtrichters (s. Karte unten; gelber Pfeil: Anflugrichtung)
.

 

Im Verlaufe des Untersuchungstages besuchten mehr als 1.000 Interessierte die Ausgrabungsstelle.
 
Die Anflugsrichtung     horizontale Verteilung der Überreste  
       
Vertikale Verteilung der Überreste
 

Projektion der menschlichen Überreste und Fundgegenstände in ein Süd(links)-Nord(rechts)-Profil. Aus der Verteilung ließ sich der Einschlagwinkel bestimmen.
   
Kartierung der menschlichen Überreste und Fundgegenstände; beim Einschlag wurden sie in einem 3,5x 1,2 m großen Feld abgelegt (von S=unten nach N=oben).
 
Simulation Gloster 1     Simulation Gloster 2  

Simulation der missglückten Notlandung. Der Anflug wurde nach Zeugenangaben ("überflog in geringer Höhe die Kirche") rekostruiert.
       

Dokumentation einer Flugzeugfundstelle in Sülfeld, Kreis Segeberg; Bergung der Überreste eines britischen Piloten

Am 16. Juni 1947 war ein zweimotoriger britischer Düsen-Jagdbomber vom Typ Gloster Meteor Mk.III (F), Nr. EE411 der 266. Squadron (Rhodesia), im Norderbestetal dicht bei Sülfeld, Kreis Segeberg, im Verlaufe eines Übungsfluges abgestürzt. Der Aufschlag war von den begleitenden Piloten nicht beobachtet worden. Sie gaben zu Protokoll, daß das Flugzeug von Flight Lieutenant James Mason, 24, in den Schubstahl des vorausfliegenden Gruppenkommandanten geraten, instabil geworden und schließlich in einem Winkel von 45° aus der geringen Übungsflughöhe (um 200 m) abgestürzt sei. Das Flugzeug hatte allerdings nach Augenzeugenberichten die Kirche von Sülfeld noch in geringer Höhe überflogen, bevor es 920 m weiter in der flachen und sumpfigen Niederung des Bestetales aufgeschlagen war. Der Einschlag selbst war von niemandem beobachtet worden; es wird von einem dumpfen Schlag berichtet, wie er für eine Explosion typisch ist. Daß an der Unfallstelle Treibstoff gebrannt habe, bestätigt die Annahme einer Explosion. Über die Maßnahmen nach dem Absturz schließlich gibt es keine exakten Berichte. Offenbar ist ein Teil des Flugzeuges (Leitwerk?) von der Air Force geborgen worden. Intensivere Nachsuche habe der hohe Grundwasserspiegel verhindert. Vom Piloten sei lediglich ein Arm gefunden worden, der auf dem Hamburg-Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt worden sei.

Die Bergung des Flugzeuges bzw. seiner Überreste war von Ulrich Bärwald, dem ehrenamtlichen Archivar der Gemeinde Sülfeld, angeregt worden. Bärwald hatte darauf hingewiesen, dass die Bestewiesen im Rahmen der EU-Wasserrahmen-Richtlinien wiedervernässt werden sollten. Die 45 Mio. EU teure Maßnahme sei durch das in den Tanks des Flugzeugs vermutlich noch vorhandene Kerosin gefährdet. Ein Austritt von Treibstoffen nach dem Abschluss der Maßnahme würde weite Flächen der Umgebung schädigen.

Das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein war dieser Argumentation gefolgt und hatte die archäologische Untersuchung/Bergung in Aussicht gestellt. Das Vorhaben wurde vor Ort durch Bärwald sorgfältig organisiert. Er hatte die Genehmigungen der Unteren Landschaftspflegebehörde eingeholt, und der Wasser- und Bodenverband hatte auf seinen Antrag hin eine Reihe von Kosten übernommen. Auch die britische Botschaft war informiert worden; sie begrüßte die Maßnahme ausdrücklich.

Gemeinsam mit Olaf Weddern, Kiel (Luftfahrtspuren.de) und dem Munitionsräumdienst hatte Bärwald zunächst die Absturzstelle lokalisiert. Ein durch Berichte von Augenzeugen bezeichnetes Areal konnte so durch den Einsatz von Metalldetektoren auf ein vermutetes Fundgebiet von weniger als 20 m Durchmesser eingegrenzt werden. Dieses Areal sowie seine Umgebung hatte Hansjörg Repkewitz, ALSH, am 22.3.03 mit dem Tachymeter eingemessen; es stand somit vor Beginn der Bergung/Untersuchung eine genaue Oberflächendokumentation zur Verfügung.

Am 23.3.06 stand die Baufirma Kristian Draeger, Kükels, mit zwei unentgeltlich gestellten JVC-Baggern JS 160 zur Verfügung. Die Freiwillige Feuerwehr von Sülfeld sorgte für die Absperrung der Untersuchungsstelle sowie für eine Ölsicherung in der benachbarten Beste. Es fand sich auch ein vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge autorisierter „Umbetter“ ein, der in den Diskussionsforen von „www.gefallenenbergung.de“ häufig genannte Erwin Kowalke. Nach kurzer Aktivität mußte ich ihn allerdings nachdrücklich auffordern, das Arbeitsfeld wieder zu verlassen. Kowalke war mehrfach vor den arbeitenden Bagger gesprungen, hatte die Arbeiten behindert bzw. sich selbst gefährdet und war auch durch dreimaliges Mahnen nicht von diesem Tun abzubringen gewesen. Der Volksbund, auf den er sich als Auftraggeber berief, hat im Inland keinen Bergungsauftrag; er ist auch thematisch nicht berührt, da es sich nicht um ein Kriegsgrab, sondern um eine Unfallstelle handelte. Leider war aus den wenigen Aktionen des „Umbetters“ auch deutlich geworden, in welch amateurhafter Weise an anderen Stellen offenbar freigelegt wird (Einsatz einer Art Grabeforke, keinerlei Vorkehrungen zur Dokumentation).

Die Kartierung der Meßdaten hatte in der Mitte des durch Detektorkontakte gekennzeichneten Fundgebietes zwei muldenförmige Eintiefungen von jeweils um 8 m Durchmesser erkennen lassen (Abb.2). Die westliche Vertiefung hatte eine Tiefe von 0.15 m, die östliche war tiefer und reichte von 16.45 mNN bis 16.00 mNN. Ich setzte den Bagger mit einem ersten Suchschnitt von Schaufelbreite (2,5 m) und 10 m Länge über der westlichen Eintiefung an. Es zeigte sich rasch, daß der Bodenaufbau (Torf bis 0,7 m, anschließend Schwemmsande) hier ungestört war. Die Vertiefung war demnach nicht durch eine Eindringung in den Boden, sondern durch eine Verdrückung entstanden. Hier wurde ein schon von Olaf Weddern und Ulrich Bärwald entdecktes Stahlkabel mit stählerner Schleppöse gefunden. Das Stahlkabel verlief von West nach Ost, wobei die Öse im Westen lag. Man darf annehmen, daß hier eine frühere Bergungsaktion angesetzt hatte, wodurch die Bodenverdrückung entstanden war. Die Verbreiterung des Suchschnittes nach Osten hin um eine Schaufelbreite ließ das Kabel weiter verfolgen. Es senkte sich zur nachbarlichen Mulde hin ab und endete dort in einer Tiefe von etwa 15.8 m NN.
Im zweiten Suchschnitt, der die benachbarte, östliche Mulde tangierte, war rasch zu erkennen, daß hier der Boden gestört worden war. Es zeigte sich am östlichen Schnittrand eine Verfärbungsgrenze zwischen ungestörtem Torf und einem sandigen Torf, die nun durch entspechende Baggerschintte weiter verfolgt werden konnte. Der strenge Kerosingeruch, der vom sandigen Torf ausging, wies deutlich darauf hin, daß hier die eigentliche Fundstelle erreicht war. In der Folge wurde das gestörte Areal entlang der Verfärbungsgrenzen freigelegt, wobei eine runde Grube von knapp 10 m Durchmesser festgestellt werden konnte, deren Zentrum im Bereich der tiefsten Stelle der Eintiefung lag. Die Grube hatte steil ablaufende Ränder und bei 14.6 mNN eine muldenförmige Sohle.

In der Grube lagen in regelloser Verteilung Aluminiumteile des Flugzeuges, deren Größe bis 0,2 m reichte. Die Regellosigkeit war im Bereich der Funde von Knochen des Unfallopfers unterbrochen: Hier fanden sich Armaturen und Armaturenteile, Glas- und Panzerglasbruchstücke der Cockpitverglasung sowie Fragmente des Sauerstoffschlauches. Die Gesamtmenge der geborgenen Flugzeugteile betrug etwa 35 Kg.

Eine erste Spur des Unfallopfers zeigte sich in geringer Tiefe von nur 0.4 m unter der Oberfläche mit dem Fund eines Schnürstiefels. Nach Norden hin folgten dann die beiden Oberschenkelhälse und schließlich eine Region mit Funden des Schädels und des -vermutlich rechten- Oberarmes und einer Hand. Östlich dieser Stelle, wo der linke Arme und die linke Körperseite sich befunden haben müßten, fanden sich eine Armbanduhr (12.15 Uhr = deutsche Sommerzeit des Unfalls = 10.15 Uhr Greenwichtime. und eine schwarze Lederbrieftasche. Beide Funde wurden sofort und ohne Öffnung der Brieftasche dem Stabsfeldwebel Allen Bennet vom Stab des britischen Militärattachés, Berlin, übergeben. Weitere Funde waren eine silberne Gürtelschnalle, eine Gurtschlaufe sowie Teile der ledernen und textilen Kleidung. Ein weiterer Schnürstiefel lag außerhalb des ansonsten klar begrenzten Fundgebietes im Bereich der Grubensohle.

Die mit dem Opfer verbundenen Funde waren über eine 3,5 m lange und 1,2 m breite, exakt Süd-Nord orientierte Fläche verteilt. Die Fläche war mit etwa 5° von Süden nach Norden geneigt. Die vertikale Verteilung lag dabei im Rahmen einer wenige Zentimeter dicken Schicht. Es zeigte sich so nichts anderes als die Einschlagrichtung des Flugzeuges, welche erheblich von der berichteten Absturzneigung (45°) abweicht.

Der nunmehr dokumentierte und erkannte flache Anflugwinkel bestätigt die Aussagen ortsansässiger Zeugen, welche übereinstimmend vom Überfliegen der Sülfelder Kirche (Turmspitze bei 75 mNN) in geringer Höhe berichten. Von hier zur 920 m entfernten Unfallstelle läßt sich rechnerisch eine derart flache Flugbahn rekonstruieren. Fundbild und Zeugenaussagen zeigen also keinen unkontrollierten Absturz, sondern eine versuchte Notlandung. Der Pilot hatte für dieses Vorhaben im flachen Bestetal eine geeignete Fläche erkannt, die ihm nach dem Aufsetzen immerhin noch 300 m völlig ebenes Gelände angeboten hätte. Vermutlich aber waren die Beschädigungen, die sein Fluggerät beim Durchfliegen des Schubstrahles erlitten hatte, so gravierend, daß eine Feinkorrektur vor dem Aufsetzen nicht mehr möglich war. Folgt man der Angabe der Unfallzeit der Begleitflieger (10.10 Uhr), i.e. dem Zeitpunkt des letzten Sichtkontaktes, so war James Mason nach Ausweis seiner Armbanduhr bis zur mißglückten Notlandung noch 5 Minuten in der Luft.

Die Überreste des Piloten sowie die geborgenen Kleidungs- und Ausrüstungsstücke wurden am folgenden Tag den Mitgliedern des Stabes des Britischen Mitliträrattachés, Hauptfeldwebel Andrew Moss und Stabsfeldwebel Allan Bennet, in den Räumen des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein übergeben. An der Übergabe nahmen zwei Offiziere des Aufklärungsgeschwaders 51 „Immelmann“ der Luftwaffe teil.

Willi Kramer
link to.spurensuchesh.de (Nils Hempel) mit weiteren Bildern, u.a. von der Beerdigung vonFlight-Lieutenant James Mason am 29.5.2006
; link to.luftfahrtspuren.de/ (Olaf Weddern)