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Archaeologie des 20. Jahrhunderts

Die Wilhelm Gustloff - Tragödie
von Dr. Willi Kramer

MS "Wilhelm Gustloff"

Am 31. Januar 1945 verließ MS "Wilhelm Gustloff", zuletzt Wohnschiff der 2. U-Boot-Lehrdivision, den Hafen von Gdingen/ Gdynia. An Bord befanden sich 1.100 U-Boot -Leute und über 10.000 Flüchtlinge, zumeist Frauen und Kinder. Nach einem Stop vor der Halbinsel Hela wurde abends die Fahrt trotz U-Boot- Warnung fortgesetzt. Das Schiff hatte entgegen aller Kriegsregel Lichter gesetzt, seine Besatzung war unerfahren, und es bestanden keine klaren Befehlsverhältnisse. Um 21 Uhr wurde das 220 m lange Schiff von drei Torpedos eines sowjetischen U-Bootes getroffen. Da es nicht gelang, die Energie des -funktionierenden- Notstromdiesels auf das Schiffsnetz zu übertragen, war es bis kurz vor dem Versinken im Innern des sinkenden Schiffes völlig dunkel. Deshalb konnten die Menschenmassen nicht herausfinden. Und weil man die Rettungsboote nicht vorgefiert und ihre Fiereinrichtungen während der Fahrt nicht eisfrei gehalten hatte, war es auch nicht möglich, die Boote der Steuerbordseite zu Wasser zu bringen. Nach einer Stunde versank "Wilhelm Gustloff". Vermutlich um 9.000 Menschen hatten ihr Leben verloren.

Die Torpedierung war kein Kriegsverbrechen, da W-G Soldaten an Bord hatte und Geschütze zur Fliegerabwehr trug. Die Versenkung war vielmehr eine Tragödie, die in erster Linie durch Gewissenlosigkeit verursacht worden war (nach Stop vor Hela Befehl zum Weitermarsch trotz U-Bootwarnung und mangelhafter Geleitsicherung, weil die U-Bootleute zu den neuen U-Booten transportiert werden sollten). Führungsfehler und unerfahrenes seemännisches Personal verschlimmerten das Ausmaß der Katastrophe.

Im März des Jahres 1992 konnte das Wrack der "Wilhelm Gustloff" erstmals intensiv dokumentiert werden. Der Unterstützung des damaligen Bundesministers der Verteidigung, Dr. Gerhard Stoltenberg †, verdanke ich, daß die Deutsche Marine das zivil besetzte Ausbildungstauchschiff "Langeoog" (Kapitän Wilhelm Danckwort), eine Minentauchergruppe und einen Taucherarzt zur Verfügung stellte. Die Wehrtechnische Dienststelle 71 in Eckernförde trug mit einem Sidescan-Sonar und einem Highball-ROV (ferngesteuerte UW-Kamera) samt Bedienungstechnikern entscheidend zum Gelingen des von mir geleiteten Unternehmens bei.

Der Befund,der auch durch Tauchen und durch mehr als 15 Stunden Video-Aufnahmen des ROV bestätigt wird, ist im nebenstehenden Sidescan-Sonogramm zu sehen: Vom ursprünglichen Schiff sind noch 5% erhalten. Jeweils etwa 12-15 Meter von Bug und Heck sind noch in gutem Zustand. Dazwischen erstreckt sich ein nicht mehr als 3-6 m hohes Trümmerfeld.
Ein Schiffsboden-Segment von 70 m Länge sollte offenbar gänzlich gehoben werden. Das war mißglückt, denn das Segment liegt jetzt mit der Bodenseite nach oben. Am Bug sind nebeneinander drei armdicke Stahlkabel angeschweißt. Auch dieser Bergungsversuch "in toto" war erfolglos geblieben.

Der Archäologe schaut nicht nur, was vorhanden ist, sondern auch was fehlt: Von den mehr als 20.000 Teilen des Weißgeschirrs zeigte sich keine Scherbe, es gibt auch keine Gepäckreste und keine Kinderwagenräder. Nirgendwo in den Nischen und in den Seitenkolken konnten Überreste der Toten beobachtet werden. Knochen vergehen in Seewasser nicht, und es hatte um 100 Tonnen davon gegeben.

Das Seegebiet war bis 1953 ein gesperrtes, nur sowjetischen Seefahrzeugen zugängliches Areal. Als die polnischen Behörden das Wrack 1954 erstmals aufsuchen konnten, hatten sie es nach dem Wrackbericht, den ich einsehen konnte, schon in diesem Zustand vorgefunden. Die zwischenzeitlich erschienenen Berichte über das Wrack von W.G. verschweigen den wahren Befund, weil das Geschäft mit dem Wracktourismus und -plündern nicht leiden soll.

Das Wrack der nur 10 Sm entfernt versenkten "Steuben", mit dessen angeblicher Auffindung sich 2002 ein deutscher Wracktouristiker öffentlich gebrüstet hatte, ist mittlerweile durch die polnische Marine gefunden worden. Dieses Wrack ist offenbar besser erhalten, doch zeigt das publizierte SideScan-Sonogramm auch hier erhebliche Fehlstellen. Es ist leider zu erwarten, dass dieses Wrack bald durch die "Wracktaucher" (Wracktaucher = fast immer Plünderungstaucher) geplündert wird.


  Wilhelm Gustloff: 3d-Modell und Simulation
 
The simulation of Gustloff´s sinking I have created according to the report given to me by former Kapitaenleutnant Robert Hering, Commander of Torpedoboot T 36. When T 36 was sent out for rescue by Heavy Cruiser Hipper she turned around WG´s stern, sailed along Starboard site, rounded the bow and sailed back along Portside keeping a distance of about 150 m. What you see is Capt. Herings view 3-5 Minutes before Gustloff´s sinking. When T 36 reached stern area again WG was vanished. Copyright © Dr. Willi Kramer 2002
 
Wilhelm Gustloff nach dem Untergang: auf ebenem Kiel auf Grund  

The wreck´s condition from 1945-1948/50, containing more than 9.000 bodies. In diesem Zustand von 1945-1948/50 enthielt das Wrack mehr als 9.000 Leichen. Copyright © Dr. Willi Kramer 2002

 
Das Wilhelm Gustloff - Wrack seit 1953  
The wreck´s condition1953- today: A postwar - crime. Der heutige Zustand des Wracks:Ein Nachkriegs-Verbrechen
Copyright © Dr. Willi Kramer 2002
Das Taucherausbildungsschiff "Langeoog" der Deutschen Marine am Untergangsort   Sidescan Sonogramm of the Wilhelm Gustloff wreck
Diving Vessel "Langeoog" of german Navy, which was ordered by former Minister of Defense Dr. Dieter Stoltenberg to serve as expeditionsship.
       
Minentaucher der Deutschen Marine an Bord ATS "Langeoog"        
   

 

 


The sidescan-Sonogramm, taken at the expedition I led in April 1992.

 
 

Minedivers are craning an inflatable. The yellow object: ROV "Highball", which operated more than 15 hours.

     
the desparate situation for 2 millions northeast of river Oder in January 45  

Für das oben gezeigte 3d-Modell der Wilhelm Gustloff habe ich etwa 200 Arbeitsstunden aufwenden müssen. Es ist hochgenau und zum Teil auch im Innern ausgearbeitet (Oberes Promenadendeck).

Die intensive Beschäftigung mit der Schiffsarchitektur, die zur Herstellung des Modells notwendig war (u.a. mit Plänen von Blohm&Voss), hat mich einen weiteren Grund für die hohe Opferzahl verstehen lassen: Das Untere Promenadendeck, ein den gesamten Schiffsaufbau umlaufender, geschlossener und mit "Panzerglas" zur Seeseite hin verglaster Raum von 5 Meter Breite, besaß zum Schiffsinnern hin nur vier Türen . Nach außen gab es, der befürchteten Zugluft wegen, überhaupt keinen Zugang. Dieses zum Promenieren entworfene Deck war bei der letzten Fahrt der Gustloff mit mehr als 2.000 Menschen belegt. Sie hätten, auch bei ausreichender Beleuchtung, niemals in der kurzen Zeit bis zum Untergang herausgebracht werden können.

Vom Panzerglas fehlt übrigens jede Spur; es gibt auch keine Scherben. Diese wertvollen Glasscheiben sind sorgsam unter Wasser ausgebaut und an die Oberfläche gebracht worden. Die menschlichen Überreste, um 1950 sicher noch in den Kleidungsstücken, wurden ebenso sorgfältig entfernt wie Koffer und weiteres persönliches Gut: Ein Verbrechen der stalinistischen Sowjetunion, dessen Beweggrund kaum zu verstehen ist.